Alles auf rot. Looking at you, SPD!

 

Vom Wahlergebnis am 1. September war in Thüringen niemand so wirklich überrascht. Alle wussten: In unserer Gesellschaft hat sich etwas verschoben. Dinge sind sagbar geworden, die vorher nicht sagbar waren. Immer mehr Hass greift um sich und das Leben wird gewaltvoller. Das Wahlergebnis hat das nur in Zahlen zementiert. Statt Überraschung stand vielen von uns am Wahlsonntag Resignation ins Gesicht geschrieben, aber wir resignieren nicht. Wir kämpfen für eine bessere Welt – jetzt erst recht!

Die Ergebnisse der Landtagswahl sind die bittere Fortsetzung eines stetigen Rechtsrucks. Und der hat viele Ursachen. Auch die SPD hat keine überzeugende Gegenstrategie: Wir haben es nicht geschafft, ein glaubhaftes Versprechen von mehr Gerechtigkeit zu formulieren. Dabei ist genau das der Auftrag unserer Partei – und wir werden ihn annehmen.

 

ALS JUSOS DIE SPD RETTEN – SO HABEN WIR UNS DAS AUCH NICHT VORGESTELLT

Jetzt ist es an uns, dafür zu sorgen, dass die Sozialdemokratie eine Zukunft hat. Sie muss sich ihrer historischen Rolle annehmen: dem Kampf gegen Armut und für das gute Leben für alle. Dafür muss die SPD Thüringen das Wahlergebnis akzeptieren und sich auf den Weg in die Opposition machen. Es braucht im neu zusammengesetzten Thüringer Landtag eine demokratische Opposition, die nicht zulässt, dass sich die AfD als einzige Oppositionspartei präsentieren kann. Unsere Rolle ist nicht in einer Regierung der kleinen und großen Übel, in der wir unseren Zielen nicht gerecht werden können. Mit unseren 6,1 Prozent können wir keinen Beitrag für die Bildung einer stabilen demokratischen Regierung leisten.Solange das so ist, braucht es für stabile Mehrheitsverhältnisse nicht uns, sondern die Linke.

Regieren darf nie zum Selbstzweck werden, nach 15 Jahren Regierungsbeteiligung in Thüringen mag das für viele schwer zu akzeptieren sein. Jetzt ist es aber an der Zeit, in der Realität anzukommen und in der Opposition an gesellschaftlichen Mehrheiten für ein besseres Thüringen zu arbeiten und die Zeit zu nutzen.

 

DEN RECHTEN NICHT AUF DEN LEIM GEHEN

Die faschistische AfD nutzt jede Gelegenheit, den Nährboden für Gewalt und Ausgrenzung zu säen. Besonders in ländlichen Regionen, wo Sparpolitik schon seit Jahrzehnten dafür sorgt, dass Jugendclubs schließen müssen und die

Gesundheitsversorgung ausgedünnt wird, füllt die AfD das Vakuum – ob mit rechtsextremen Kampfsportvereinen oder Machtdemonstrationen auf der Straße. Wer gegen diese Hetze antritt, wird bedroht, verfolgt, geschlagen. Wer Position bezieht, muss Konsequenzen fürchten.

Die extrem Rechten wissen die Angst vor dem sozialen Abstieg zu instrumentalisieren. Mit ihrem Hass und Rassismus treiben sie den politischen Diskurs so weit nach rechts, dass es inzwischen als normal erscheint, Menschen abzuwerten und gegeneinander auszuspielen. Vernichtungsfantasien und Entmenschlichung sind bis tief in der sogenannten Mitte verbreitet. Strategien dagegen fehlen. Aber eins ist sicher: Es braucht Rückgrat und lautstarken Widerspruch, besonders aus der SPD. Unser Kampf muss sich jedoch nicht nur gegen rechts, sondern auch gegen die Gründe für Abstiegsängste richten: Armut, Ungleichheit und Perspektivlosigkeit.

Einige in der SPD glauben, wir müssten uns den Rechten annähern, besonders in der Migrationspolitik. Doch Forderungen nach Grenzkontrollen, Abschiebungen und Haftlagern sind politischer Selbstmord. Das Wahlergebnis von 6,1 Prozent ist der Beweis: Die SPD verliert, weil wir scheinbar kein Rückgrat haben. Kein abgeschobener Geflüchteter sorgt dafür, dass das Schwimmbad vor Ort wieder aufmacht, egal ob Rechte oder Sozialdemokrat:innen abschieben.

Als Sozialdemokrat:innen müssen wir den Weg in ein besseres Thüringen aufzeigen – und das beginnt mit der schonungslosen Analyse der Realität: Ein Viertel der Thüringer:innen arbeitet zum Mindestlohn. Reallohnverluste, die wachsende Angst vor Armut und marode Schulen sind reale Probleme, die gelöst werden müssen. Der bisherige Umgang treibt die Menschen auf der Suche nach einfachen Lösungen in die Arme der Rechten. Der neoliberale Kapitalismus produziert immer Verlierer:innen, stellt die persönliche Selbstrealisierung über Solidarität und das Allgemeinwohl und spaltet damit die Gesellschaft. Für uns als Jungsozialist:innen steht fest: Wir kämpfen gegen den Kapitalismus und seine Auswüchse regional, national und international, für eine solidarische Zukunft. Wir fordern die SPD Thüringen auf, diesen Kampf endlich entschlossen aufzunehmen. Dabei ist es wichtig, das sozialdemokratische Vorfeld wieder stärker einzubeziehen, denn Gewerkschaften und Arbeiterwohlfahrt sind unsere natürlichen Partner:innen beim Kampf für das gute Leben.

 

ES BRAUCHT DIE SPD

Sie ist ein zentraler Baustein der organisierten gesellschaftlichen Linken in Thüringen. Diese linke Kraft muss sie auch bleiben, anders verliert sie ihre Daseinsberechtigung. Doch damit das gelingt, muss sich die Partei verändern.

Ihre Stärke nimmt die SPD aus ihrer Mitgliedschaft – und zwar in zweierlei Hinsicht:

1. Die gerechte Welt milieu-übergreifend erträumen und erstreiten.

Im Ortsverein treffen Arbeitnehmer:innen auf Studierende, Alte auf Junge, Zugezogene auf Alteingesessene, Menschen aus dem Einfamilienhaus, auf Menschen aus der Platte. Die SPD steht nicht nur für ein bestimmtes Programm mit einzelnen spezifischen

Maßnahmen. Die Sozialdemokratie muss einen anderen Gesellschaftsentwurf anbieten: Eine Welt der Freien und Gleichen soll an die Stelle ausbeuterischer, kapitalistischer Abhängigkeitsverhältnisse treten.

August Bebel darf nicht nur ein beliebtes Passwort oder Wandbild in SPD Büros in Thüringen sein, sondern eine Inspiration, wie viele andere sozialistische und sozialdemokratische Persönlichkeiten.

Dieses Erbe mit Leben zu füllen und inhaltlich auszugestalten, gelingt nur gemeinsam über Grenzen hinweg. Der Kapitalismus mag uns einteilen in Auszubildende, Studierende, Arbeitnehmer:innen, Erwerbslose und Rentner:innen, doch am Tisch des SPD-Ortsvereins sind wir alle Menschen mit einem gemeinsamen Ziel: Eine bessere Welt für die Vielen gestalten und gemeinsam debattieren wir, wie wir dieses Ziel erreichen.

Doch die Partei hat sich weit von diesem Ideal entfernt. Inhaltliche Positionen werden zuerst mit viel Fleiß erarbeitet, hart erstritten und auch beschlossen, um letztendlich vom Spitzenkandidaten und Landesvorsitzenden missachtet zu werden?!

Die SPD Thüringen ist hierarchischer geworden, statt Inhalte gemeinsam vor Ort zu erarbeiten, wird man über neue Positionen aus der Presse informiert und die geleistete politische Arbeit für irrelevant erklärt. Damit verzichtet die Partei auf eine ihrer zentralen Stärken. Der Titel “Mitgliederpartei” muss endlich wieder gelebt und nicht nur propagiert werden.

2. Gemeinsam ehrenamtlich auf der Straße für eine Welt ohne Armut kämpfen

Die Mitglieder, die immer wieder aufs neue das sozialdemokratische Aufstiegs- und Solidaritätsversprechen mit Leben füllen, sorgen dafür, dass die SPD als gesellschaftliche Kraft in der Öffentlichkeit wahrnehmbar ist.

In den letzten Wochen und Monaten haben viele in dieser Partei Unglaubliches geleistet. Unter widrigsten Umständen wurden Plakate gehängt, Flyer verteilt, Infostände organisiert und natürlich auch kandidiert. All das fast ausschließlich ehrenamtlich nach der Arbeit, Schule oder Uni.

Statt die Sozialdemokratie in ihrer Breite abzubilden, konzentrierte sich der Wahlkampf auf eine Person. Eine Person, die für viele Menschen nichts mit der vor Ort engagierten Sozialdemokratie zu tun hat. Eine Person, die ganz viele Menschen nicht kannten oder kennen.

Wo war die Spitze unserer Landespartei, während wir antifaschistische Bündnisse schmiedeten, Demonstrationen auf die Straße brachten und versuchten, der braunen Übermacht entgegenzutreten? Wo waren die Aufrufe der SPD, an Demonstrationen teilzunehmen? Wo war die Unterstützung für die tausenden Demonstrierenden? Viele Antifaschist:innen in Thüringen fühlen sich deswegen von der SPD im Stich gelassen. Der Kampf gegen Rechts findet auf der Straße statt und genau da muss auch unserer Platz sein, über alle Gremien hinweg.

 

EINE ANDERE SPD

Es braucht eine andere SPD, wenn es sie noch weiter geben soll. Dafür muss sie ihre eigenen Mitglieder überzeugen, dass das Engagement wirkt und wertgeschätzt wird, bevor sie es schaffen kann, den Rest der Gesellschaft zu überzeugen.

Dafür braucht es zweierlei: Ein klares Bekenntnis zum sozialdemokratischen Menschen- und Weltbild, sowie eine Partei, welche durch ihre Spitze repräsentiert und nicht nur informiert wird. Die SPD ist ein Ort der Selbstorganisation und kein E-Mail-Verteiler für den:die Vorsitzende:n.

 

KLARES BEKENNTNIS ZUM SOZIALDEMOKRATISCHEN MENSCHENBILD

“Die Solidarität der Interessen muss an die Stelle der Selbstsucht treten” Das war und ist der Leitspruch der SPD. Nie war es weniger ulkig, dieses Zitat des Parteigründers August Bebel auszupacken. Denn der Rechtsruck spiegelt sicht nicht nur im Erstarken der faschistischen AfD wieder, sondern vor allem daran, dass alle anderen Parteien auch nach rechts rücken. Olaf Scholz, der versucht, sich als Abschiebekanzler zu inszenieren, ist nur einer von vielen Tiefpunkten.

Die SPD muss wieder im Sinne dieser Grundüberzeugung politisch agieren, ansonsten verliert sie ihre Daseinsberechtigung. Entwürfe einer konservativen und DDR- nostalgischen Sozialdemokratie, wie sie der Seeheimer Kreis in Thüringen formuliert, lehnen wir ab.

Im Grundsatzprogramm der SPD heißt es richtigerweise, dass die Würde des Menschen unabhängig von seiner wirtschaftlichen Leistung und Nützlichkeit ist. Dem diametral entgegen stehen Forderungen aus dem Grundsatzprogramm des Seeheimer Kreises Thüringen, nach zusätzlichen Sanktionen und Schikanen von Bürgergeldempfänger:innen. So hat er verschriftlicht:

„Wir stellen Politikansätze in Frage, selbst wenn sie zu lieb gewordenen Glaubensgrundsätze der Sozialdemokratie gehören. Wir haben den Anspruch, auf Grundlage unserer sozialdemokratischen Werte lösungsorientiert und undogmatisch die Zukunft zu gestalten.“

Das bedeutet nichts weniger als eine Abkehr von den Grundsätzen der Sozialdemokratie. Wir werden uns immer und überall gegen eine Verwässerung von sozialdemokratischen Positionen bis zur Unkenntlichkeit stellen. Es braucht keine zweite CDU. Der Seeheimer Kreis Thüringen ist das Ende der SPD und nicht ihre Zukunft.

Sollte genanntes zukünftig nicht umgesetzt werden und die Partei weiterhin durch einen Seeheimer-Kurs in die Bedeutungslosikeit getrieben werden, ist es zwingend notwendig, dass personelle Konsequenzen im Landesvorstand folgen. Eine Parteispitze, die sich mit hohen Abschiebezahlen dekoriert, ist nicht tragbar.

 

ALLES AUF ROT – AUCH DIE SPD!

Ihre Zukunft muss eine Politik sein, die sich an die Seite der Menschen stellt und jene Verhältnisse zum Tanzen bringt, die für immer mehr Ungerechtigkeiten sorgen. Dafür stehen wir. Dafür muss auch die SPD stehen, dann wird sie auch gewählt.

 

Hier geht es zum PDF-Dokument des Leitantrags

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